Der CDU-Landtagsabgeordnete und kirchenpolitische Sprecher des CDU-Landtagsfraktion Christian Gehring sagte heute (19. März 2022) zum Ablauf der Wahl des neuen evangelischen württembergischen Landesbischofs

„Endlich weißer Rauch aus dem Schornstein der evangelischen Landeskirche in Württemberg
- warum aber blieb das ‚habemus episcopum‘ in den ersten vier Wahlgängen aus?

Die (Nicht-)Wahl eines Landesbischofs oder einer Landesbischöfin in der evangelischen Landeskirche in Württemberg am vergangenen Donnerstag war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Deshalb möchte ich als Politiker und Christ, als Handelnder in diesem Sinne mit einem christlichen Kompass und als Mitglied der evangelischen Landeskirche meine Gedanken dazu darlegen.

Am Donnerstag war ich nicht nur als kirchenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion gespannt, wer die Wahl gewinnt. Auch als Mitglied der württembergischen Landeskirche wollte ich wissen, wie es in der Kirchenführung weitergeht. Dieses Weitergehen hat für meine Landeskirche in diesen Tagen eine schier existenzielle Bedeutung. Die Kirchenaustritte nehmen dramatisch zu. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass die Menschen - innerhalb und außerhalb unserer Kirche - gerade in der jetzigen Zeit, die geprägt ist von einem fürchterlichen Krieg in Europa und einer weltweiten pandemischen Lage, eine Kirche brauchen, die uns Halt, Mut und Hoffnung gibt. Das ist vielleicht die Bewährungsfrage der Kirchenführung unserer Zeit, diese Orientierung zu geben.

Mich selbst hat meine eigene Kirche in den letzten Tagen jedoch eher konstatiert und desillusioniert zurückgelassen. Bei der Wahl zum Oberhaupt der Landeskirche gab es eine Kandidatin und zwei Kandidaten. Nach drei Wahlgängen blieb ein Gewählter übrig, der die Hälfte aller Stimmen auf sich vereinen konnte. Dieser hätte für die Wahl zum Landesbischof in einem letzten Wahlgang mit einer Zweidrittelmehrheit bestätigt werden müssen. Diese Mehrheit wurde ihm verwehrt. In diesen Zeiten, in denen die Institution Kirche um Ihre Bedeutung, ja um Ihre Legitimation ringt, ist dieses Zeichen einer völligen Entkoppelung und Entrücktheit der Synode ein fatales Zeichen. Vielleicht ist es sogar für die oben beschriebenen Entwicklungen ein Beschleuniger. Sicher ist es aber eine Verantwortungslosigkeit.

Warum, denke ich, ist das so? Ich kenne weder die Kandidatin noch die beiden Kandidaten persönlich, habe mir aber bei vielen Pfarrerinnen und Pfarrern aus allen theologischen Richtungen Meinungen eingeholt. Auch dort erlebte ich Fassungslosigkeit und Verwunderung. Demnach sind alle wählbar, aber das hat die Synode wohl nicht so gesehen. Wie bei uns in der Politik gibt es auch in der Kirche Parteien. Diese heißen hier Gesprächskreise - vielleicht, weil es harmonischer klingt. Es gibt hier die Lebendige Gemeinde, die Offene Kirche, die Kirche für morgen und Evangelium und Kirche. Im Vorfeld wurden Kandidaten gesucht, diese vorgestellt und dann eben am Donnerstag von ihren Gesprächskreisen unterstützt.

Diese Vorgehensweise kenne ich so auch aus der Politik in Land und im Bund. In der Politik ist es aber dann so, dass man sich einigt, und die Parteien, die eine gemeinsame Mehrheit bilden, wählen dann Ihren gemeinsamen Kandidaten. So kam es auch bei mir, und aus diesem Grund habe ich als CDU-Mitglied einen grünen Ministerpräsidenten gewählt und vor wenigen Wochen einen sozialdemokratischen Bundespräsidenten. Es ist Ausdruck von gelebtem Verantwortungsbewusstsein. Einer Verantwortung, die größer ist, als man selbst.

So viel Sinn für Verantwortung kann ich offensichtlich nicht von meiner Kirche erwarten. Man trifft sich zwar in Gesprächskreisen, spricht aber offensichtlich nicht miteinander, denn bewegen will man sich nicht. Nachdem ich mich dann mit den Kandidaten befasst habe, hat mich Folgendes am meisten gestört: Der zuletzt verbliebene Kandidat heißt Gottfried Heinzmann, ist Experte für Jugendarbeit und Vorstand der Diakonischen Einrichtung der ‚Zieglerschen‘ mit 3.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sein Verständnis und seine Expertise für Humanismus sind doch nie wichtiger gewesen als in dieser heutigen Zeit, in der wir täglich mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine konfrontiert sind.

Ich bin mir sicher, dass alle Kandidierenden für das Amt in höchstem Maße geeignet gewesen wären, aber es gab zum Schluss schlicht nur noch einen Kandidaten, der mit über der Hälfte aller Stimmen in den letzten offiziellen Wahlgang am ersten Wahltag gehen durfte. Dieser wurde jetzt aber durch seine Nichtwahl öffentlich diskreditiert in einer Form, in der es selbst im Haifischbecken der Politik selten geschieht. Die Kirche gibt nach außen ein schlechtes Bild ab: Ungeeint, egoistisch und machtpolitisch.

Natürlich gab es solche Probleme mit dem seltsamen und antik anmutenden Kirchenwahlrecht schon früher. Aber damals stand die Kirche nicht so unter Druck, hatte nicht so viele Probleme auf der Welt, die eine geschlossene Kirche benötigten, und die Kirche war noch eine feste gesellschaftliche Größe.

Die Zugriffszahlen auf den Livestream waren übrigens ebenfalls sehr aufschlussreich, da sie gering waren. Das bedeutet, dass das Interesse für die Kirche kaum noch vorhanden ist, und die letzten Verbliebenen schütteln ob der Gräben in der Landeskirche verwundert den Kopf.

Liebe württembergische Landeskirche, es hätte wohl gutgetan, Ihr hättet nicht in den einzelnen ‚Echokammern‘ getagt, sondern gemeinsam gebetet und dann diese unsinnige fundamentale Verweigerung aufgegeben. Wie gesagt, im Sinne einer Verantwortung, die größer ist als man selbst.

Und wie ging dieses Drama in fünf Akten aus? Der bereits zuerst ausgeschiedene Kandidat Ernst-Wilhelm Gohl, der 58-jährige Dekan am Ulmer Münster, war im Vorfeld als möglicher Kompromisskandidat gehandelt worden und wurde dann auch als Kompromisskandidat wieder - dieses Mal ohne Gegenkandidaten - ins Rennen geschickt. Im fünften Wahlgang holte er dann eine Stimme mehr als erforderlich und wird als erste Amtshandlung die Scherben aufsammeln müssen, die diese Landessynode hinterlassen hat.

Ich wünsche dem designierten Landesbischof alles Gute, Gottes Segen und viel Weisheit für die großen Herausforderungen und der Landessynode mehr Gebet, mehr Miteinander und weniger Politik.

Ihr noch immer desillusioniertes Mitglied Christian Gehring MdL.“

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